Berechnung von Spannungen im Zustand 2 mit den pcae-Programmen

 

Sowohl die DIN 1045-1 [1] als auch der DIN-Fachbericht 102 [2] verlangen für verschiedene Nachweise im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit Spannungsnachweise im gerissenen Zustand (z.B. [2] 4.4.1.1(4) u. (5)). In den alten Normen war dies bislang nicht gefordert. Hier wurden lediglich bei der Stahlbetonbemessung bzw. beim Bruchsicherheitsnachweis Berechnungen im Zustand 2 erforderlich. Die hierfür zugrunde zu legenden Materialgesetze für Beton, Beton- und Spannstahl sind eindeutig beschrieben ([1] 9 bzw. [2] 4.2.1.3).

 

Für die erforderlichen Ermüdungs- Spannungs-, und Rissbreitennachweise fehlen jedoch eindeutige Angaben. So werden zur Begrenzung der Rissbreite entsprechend [1] 11.2.3(3) und 11.2.4(3) bzw. [2] 4.4.2.3(3)*P und 4.4.2.4(3)* Berechnungen im gerissenen Zustand (Zustand 2) gefordert ohne Angabe der zu wählenden Materialansätze. Lediglich in [2] 4.4.1.1(103) wird gesagt, dass zur Berücksichtigung von Langzeiteinflüssen ein konstantes Verhältnis der E-Moduln von Stahl zu Beton von 10 bis 15 angenommen werden darf. Beim Ermüdungsnachweis darf gemäß [1] 10.8.2(2) bzw. [2] 4.3.7.3(2)* ein Verhältnis von 10 angesetzt werden. Ein konstantes Verhältnis der E-Moduln setzt implizit eine lineare Spannungsdehnungslinie für Beton voraus, was jedoch in den Normen nicht konkret dargestellt wird. Lediglich im Heft 525 [4] wird in den Erläuterungen zu 9.1.3 darauf hingewiesen, dass sich der Beton im Bereich der Gebrauchsspannungen (bis etwa sc = 0,4 fcm) annähernd linear verhält.

 

Da ein lineares Materialgesetz für Beton nach [3] ausreichend genaue Ergebnisse für den Betonstahl (nicht aber für die Betonrandspannungen) liefert, wurde in den pcae-Programmen von Anfang an das nichtlineare Parabel-Rechteck-Diagramm entsprechend [1] 9.1.6 bzw. [2] 4.2.1.3 verwendet. Diese Beziehung ist jedoch speziell für den Bemessungsfall ausgelegt. Es hat sich gezeigt, dass im Gebrauchsfall aufgrund des relativ „weichen“ Ansatzes für den Beton folglich auch geringere Betondruckspannungen resultieren. Daher stehen von nun an in allen pcae-Programmen verschiedene Materialgesetze für die Spannungsberechnung im Zustand 2 zur Auswahl. Im Einzelnen sind dies:

1)      Parabel-Rechteck-Diagramm entsprechend [1] 9.1.6, Bild 23 bzw. [2] 4.2.1.3, Abb. 4.2
Dieser Ansatz gilt für Bemessung und Bruchsicherheitsnachweise und liefert aufgrund des „weichen“ Ansatzes für den Beton geringere Betonspannungen. Dies ist die bisher fest eingestellte Berechnungsmethode in den pcae-Programmen

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2)      Spannungsdehnungslinie für Verformungsberechnungen entsprechend [1] 9.1.5, Bild 22 bzw. [2], 4.2.1.3, Abb. 4.1
Diese Linie ist zwar für Verformungsberechnungen vorgesehen, liefert aber aufgrund der realitätsnahen Abbildung des Betonverhaltens realistischere Werte für die Betonrandspannungen. Dies ist die neue Standardeinstellung in den pcae-Programmen.


3)      Lineare Spannungsdehnungslinie mit berechnetem oder einstellbarem Verhältnis der E-Moduln αe
Dieser Ansatz ist als „kann“-Bestimmung in den Normen vorgesehen, erzeugt jedoch insbesondere bei höheren Ausnutzungsgraden zu ungünstige Betonrandspannungen. Diese Einstellungsmöglichkeit wurde vorgesehen, da die Norm dies erlaubt, und um Vergleichsrechnungen zu anderen Programmen zu ermöglichen, die mit dieser Methode arbeiten.

 

Für Belastungen, die im gebräuchlichen Spannungsspektrum liegen, haben Vergleichsrechnungen gezeigt, dass der Ansatz 1) und der Ansatz 3) mit einem gewählten αe = 15 in etwa gleiche Ergebnisse liefern. Das gleiche gilt für den Ansatz 2) und den Ansatz 3) mit einem berechneten αe = Es/Ecm, wobei die Betonspannungen bei Ansatz 2) meist noch größer sind. Die größten Differenzen erhält man zwischen Ansatz 2) und Ansatz 3) mit αe = 15. Hier können die Betonrandspannungen, je nach Betongüte, um bis zu 30 % oder mehr variieren. So resultieren die größten Berechnungsunterschiede bei den hochfesten Betonen, was umso bedenklicher erscheint, da hier davon auszugehen ist, dass diese auch hoch ausgenutzt werden. An dieser Stelle sollten die DIN-Ausschüsse für eine klare Regelung sorgen. Bei all diesen Ansätzen gilt es zu beachten, dass sie sowohl unterschiedliche Ergebnisse für den Beton, als auch für den Betonstahl liefern, da eine geringere Betonspannung aus Gleichgewichtsgründen auch immer eine höhere Betonstahlspannung bedingt.

 

Im Einzelnen sind folgende Nachweise von diesen Änderungen betroffen:

 

Wie die entsprechenden Ansätze in den verschiedenen Programmen eingestellt werden, kann den Hilfetexten oder dem Erläuterungstext der betreffenden Patches entnommen werden.

[1] DIN 1045-1: Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Teil 1: Bemessung

[2] DIN-Fachbericht 102: Betonbrücken (2003/03)

[3] Zilch, K.; Zehetmaier, G.; Gläser, Ch.: Ermüdungsnachweis bei Massivbrücken: Betonkalender 2004, Teil 1, S. 336

[4] Erläuterungen zu DIN 1045-1: Heft 525, Deutscher Ausschuss für Stahlbeton, Beuth Verlag GmbH, 2003